Gestern Abend wollte ich kochen. Garnelen mit Salat, in Basalmico eingelegte Champignons, karamellisierte Pinienkerne und Parmesankäse. Dazu Antipasti und Weißbrot. Da ich noch nicht alle Zutaten hatte, fuhr ich zum großen Supermarkt am Ende der Straße und kaufte ein. Auf dem Weg zur Kasse kam ich an einem Regal vorbei, wo man sich seinen Naschkram selber zusammenstellen kann. Da ich weiß, dass meine Frau dieses Zeug liebt, entschloss ich mich meiner Süßen etwas Süßes mitzubringen (weiß jemand, wie man dieses stilistische Mittel nennt?). Ich fing also an, die Gummiteile, das Lakritze und was weiß ich noch alles, in die Tüte zu stopfen. Dabei fiel mir der 14jährige Süßwarenfachverkäufer auf, der ca. drei Meter von mir damit beschäftigt war, Kartons auszupacken. Seine Augen waren auf meine Hände fixiert. Er beobachtet jeden meiner Bewegungen. Offensichtlich wusste er ganz genau, dass ich zwischendurch mal naschen werde und das wäre mein Ende gewesen – so viel konnte ich in seinen Augen lesen. Die Festnahme eines Topterroristen in der Hamburger Innenstadt wäre nichts im Vergleich zu dem gewesen, was mit mir passiert wäre. Also achtete ich darauf, keine hektischen Bewegungen zu machen und hielt meine Mund geschlossen. Als ich dann die Sachen abwog und das Preisschild ausdruckte, war es aber dann doch um mich geschehen. Plötzlich stand die Spürnase mit seinem weißen Kittel vor mir, bäumte sich vor mir auf und meinte: "Sie dürfen das Preisschild erst dann ausdrucken, wenn die Wage mit dem Wiegen fertig ist und auf keinen Fall früher." Jetzt ging mein Mund doch auf, aber mehr als ein Fragezeichen brachte ich nicht hervor. Und so konnte ich nur noch sprachlos mit ansehen, wie der jugendliche Meisterdetektiv mir die Tüte entriss, auf die Waage legte, rund eine halbe Stunde wartet (wusstet ihr eigentlich, dass innerhalb einer halben Stunden weltweit 180 Kinder geboren werden?), dann die Drucktaste betätigte, mich mit Grinsen anschaute, das aus einer Mischung aus Triumph und blanker Überheblichkeit bestand – und exakt den Preis auf die Tüte klebte, den ich auch vorher von dem kleinen Chip in der Waage errechnen ließ. So standen wir uns gegenüber. Er mit der Frage im Blick, wie ich es trotzdem geschafft hatte, seinen Supermarkt zu betrügen und ich mit einem Lächeln im Gesicht. So massiv ist mir das noch nie passiert, aber in den letzten Monaten habe ich immer mehr das Gefühl, in Geschäften nicht als Kunde sondern als potentieller Krimineller betrachtet zu werden oder zumindest als jemand, der die Mitarbeiter daran hindert, in Ruhe ihre Waren auszupacken und ständig im Weg rum steht.
Samstag, 3. November 2007
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1 Kommentar:
Unter Generalverdacht
Wie du mir, so ich dir - nach dem Motto tickt unsere Gesellschaft offenbar. Wobei mir leider im Moment nur negative Beispiele einfallen. Woher mag das wohl kommen?
Es greift doch immer mehr das Gefühl um sich, betrogen zu werden: Leistungen, von denen wir angenommen hatten, dass sie uns zustünden, werden gekürzt oder ganz abgebaut. Arbeitskräfte werden eingespart,und aus den Verbleibenden wird die Mehrarbeit herausgepresst. Serviceleistungen werden abgebaut und das ganze der Bevölkerung als Synergieeffekt verkauft. Was können sich z.B. ältere Menschen darunter vorstellen, die nun ihr Weihnachtspäckchen umständlich mit dem Bus zur nächsten noch geöffneten Postfiliale bringen müssen, statt wie bisher zur Post um die Ecke?
Aus diesem manchmal diffusen, manchmal aber auch ganz handfesten Gefühl des Betrogenwerdens heraus entsteht anscheinend eine Mentalität des "Na warte, ich hole es mir schon wieder. Egal von wo, ihr steckt ja sowieso alle irgendwie unter einer Decke". Ungeniertes "Probieren" in der Obstabteilung (Paradebeispiel: Weintrauben!)ist schon gar nicht mehr der Rede wert. Ladendiebstahl, Schwarzfahren, falsche Angaben im Hartz IV Antrag, Versicherungsbetrug... und was noch alles - steht mir das nicht eigentllich zu? Ich werde mit staatlicher Genehmigung besch....., also greife ich doch auch zu, wo es nur geht, oder?
Wie gut, dass man auch nein sagen kann zu diesem Verhalten. Ja, wir werden oft genug betrogen. Aber wir müssen den Spieß nicht umdrehen und das Spiel mitspielen. Wir haben einen Versorger, der uns nicht betrügt.
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