Donnerstag, 26. Juli 2007
Molfsee und Sahnetorte
Vor ein paar Tagen waren Karin, die Kinder und ich im Freilichtmuseum Molfsee. Es war richtig schön. Interessante Häuser, ein alter Jahrmarkt mit Karussellfahren bis der Arzt kommt und das Ganze eingebettet in eine wunderschöne Anlage. Ich finde es spannend zu lernen, wie Menschen früher gelebt haben. Gleichzeitig habe ich auch verstanden, dass das Leben früher um ein vielfaches härter und vor allem enger war. Heute wird diese Zeit ja sooft glorifiziert, als die gute alte Zeit, aber mal ganz ehrlich, wer von uns möchte denn noch auf einem Hof leben, auf dem sich die Toilette draußen befindet und nicht besonders viel Charme versprüht. Wer möchte denn von einem Apotheker bedient werden, der seine Medizin selbst herstellt und man sich nicht sicher sein kann, woher er seine Rezepte hat? Wer möchte denn in einer Zeit leben, in der die Armen zum Sterben verurteilt waren und in der der eigene Tellerrand an der Dorfgrenze endete. Natürlich reden wir sooft davon, dass es die gute alte Großfamilie nicht mehr gibt, aber will ich wirklich mit allen auf einem engen Raum zusammenleben und mich den geltenden Regeln und Zwängen permanent unterwerfen, statt mein eigenes Leben in meiner 100 qm Wohnung zu leben? Ich liebe meine Verwandten und meine Familie, aber ich liebe auch die Freiheit, die ich dadurch habe, dass ich mit Karin und den Kindern alleine hier in Hamburg lebe.
Der Individualismus hat sicherlich die Großfamilie abgelöst und ich weiß auch, dass diese Veränderung viele Nachteile hat, aber es sind eben nicht nur Nachteile. Vermutlich ist es zu 50% schlechter und zu 50% besser geworden, eben einfach nur anders.
Gestern habe ich mich mit Julia getroffen. Sie ist klasse. Sie beschäftigt sich sehr mit dem christlichen Glauben und der Frage nach Gott – und sie hasst Standartfloskeln. Sie hinterfragt sehr viel, aber eben nicht, um alles zu wiederlegen, sondern um echte Antworten zu bekommen. Es macht Spaß, sich mit ihr zu unterhalten. Sie fordert mich heraus, meine eigene Theologie ständig zu überdenken. Für sie ist die Bibel kein Buch, mit dem man alle möglichen Aussagen über Gott mit Zitaten belegen kann, sondernd er Ort an dem Gott uns zeigt, wie er ist. Das hört sich jetzt vielleicht sehr ähnlich an, aber der Unterschied ist gewaltig. Die Bibel als Zitatesammlung über das Wesen Gottes endet irgendwann in einer rechthaberischen Enge. Die Bibel als Ort der Offenbarung des Wesens Gott mündet in einer echten und vermutlich immer größer werdenden Gotteserkenntnis, die nicht in die Enge, sondern in die Freiheit führt. Mit einem Mal muss ich dann auch nicht mehr scheinbare Widersprüche wegdiskutieren oder harmonisieren, sondern kann sie nebeneinander stehen lassen. Weil es nicht du die Texte an sich geht, sondern um die Botschaft, die dahinter steckt.
In solchen Gesprächen merke ich, wie viel von meiner Theologie doch nur Biographie ist. Wenn ich Nachfolge richtig versteh, dann geht es nicht nur darum, dass ich das tue, was Jesus mir aufträgt und auch nicht nur darum, dass ich so werde, wie ich ursprünglich sein sollte, sondern auch darum, dass mein Bild von Jesus ständig größer und klarer wird. Dazu muss ich aber bereit sein, auch alte Standpunkte zu verlassen, Überzeugungen kritisch hinterfragen zu lassen und ständig davon überzeugt sein, dass ich noch lange nicht alles über Gott erkannt habe.
Mein persönliches Lieblingsbild ist hier ein Schwarzwälderkirschtorte. Wäre Gott so eine Torte, dann vermute ich, dass ich gerade mal eine Kirsche davon erkannt habe. Okay, sie ist vielleicht sehr groß, die Kirsche, aber es gibt noch viel mehr, was noch im Verborgenen ist. Vielleicht schaffe ich es, bis zum Ende meines Lebens auf zwei Kirschen zu kommen, aber alles in allem hilft mir do ein Bild, die nötige Demut zu behalten.
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1 Kommentar:
Jetzt wissen wir es endlich, Gott ist eine Schwarzwälderkirschtorte! Darüber hätte ich gerne eine Predigt ;-)
Gruß
Bernd
*Bitte nicht ganz ernst nehmen*
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